Der Name Schindler ist weltbekannt, vor allem durch den Spielfilm „Schindlers Liste“ von Steven Spielberg, der einer der einflussreichsten Spielfilme ist, wenn es um die Darstellung des Themas Holocaust geht. Die Geschichte der Familie Schindler ist packend, besonders: Ihnen gelang es, 1200 Menschen aus der NS-Vernichtungsmaschinerie zu retten, deren Namen wir auf der besagten Schindlers Liste lesen können. Es wundert daher nicht, dass es ein Stoff für eine gute Geschichte ist, ganz gleich, wie sie erzählt wird.
Aus historischer Perspektive ist die Frage daher interessant, ob Spielfilme „Kronzeugen“ von Geschichte sein können. Immerhin garantieren Geschichtsfilme in den Kinos hohe Besucherzahlen und scheinen vergangene Zeiten für uns anschaulich und zugänglich zu machen. Was genau erzählt also der Film „Schindlers Liste“, und was vor allem nicht? Im Rahmen der Projekttage gingen die Schülerinnen und Schüler diesen und anderen Fragen nach, nahmen die Bilder, die der Film transportierte, auseinander und reflektierten Chancen und Grenzen von Spielfilmen in Bezug auf die Darstellung historischer Wirklichkeit.
Eine besondere Unterstützung dabei hatten wir von Frau Prof. Erika Rosenberg, die an einem Abendvortrag am 13.06.2018 in der Aula der KGS Kirchberg uns und allen anderen Interessierten als Zeitzeugin Einblicke in das Leben und Verständnis von Oskar und Emilie Schindler gab und uns dabei an die „unbesungenen Helden“ erinnerte.
1990 lernte Frau Rosenberg Emilie Schindler im Zuge ihrer Recherchen in Bezug auf die Auswanderer in Argentinien kennen. Fortan waren sie Freundinnen, Vertraute. So erschienen die Biographien „Ich, Oskar Schindler“(2000) und „Ich, Emilie Schindler“(2006) mit zahlreichen Originaldokumenten. Vor allem die Rolle der Emilie Schindler für die Öffentlichkeit klarzustellen und auszuschärfen, sei für Frau Rosenberg eine Herzensangelegenheit, denn hinter einem starken Mann stünde auch immer eine starke Frau, obgleich ihre Ehe alles andere als eine glückliche gewesen sei. Dabei sei die Rolle der Emilie Schindler im Kontext der Rettungsaktion eine tragende gewesen: Für die Lebensmittelrationen und medizinische Versorgung sei Frau Schindler zuständig gewesen, habe aber auch nachweislich 120 Frauen alleine vor einem Transport in den sicheren Tod gerettet und ihren Mann Oskar mehrfach aus der Haft herausgeholt. Denn beide setzten sich einer ständigen Lebensgefahr aus, wenn sie immer wieder die Spielräume, die sich ihnen geboten haben, nutzten.
Doch nach dem Krieg war vor allem Emilie Schindler in Vergessenheit geraten – keine Erinnerung oder Würdigung ihres couragierten Einsatzes. Dass auch Steven Spielberg im Zuge des Filmdrehs sie überging, dass sie als ebenfalls „Gerettete“ angesehen wurde und sie damit im Abseits stand, sind Details, die so nirgendwo in Schulbüchern stehen, die aber eine Bedeutung haben, wenn es um die Darstellung historischer Wirklichkeit geht: Bewältigung der Vergangenheit oder Darstellung der Vergangenheit darf nicht bei einer spannenden Geschichte stehen bleiben. Und ein historischer Spielfilm ist immer noch Fiktion, kein Abbild historischer Wirklichkeit. Das alles ist dennoch kein Grund, den Spielfilm zu verteufeln. Er erzähle eben die Geschichte der Geretteten, nicht der Retter.
Katrin Friedrich und Julia Beck